Für die Wahrheit Zeugnis ablegen!

■ Immer wieder begegnet man der Meinung der Menschen, die sich grundsätzlich einer jeden Religion gegenüber ablehnend positionieren, wonach alle Religionen ohne Ausnahme reines Menschenwerk seien. Weil die Menschen, wird da erklärt, und besonders in der Antike, große Angst und enorme Furcht vor den Naturgewalten hatten, hätten sie sich „Götter“ erdacht, die alles beherrschen und dominieren. So seien bei verschiedenen Völkern zu verschiedenen Zeiten Religionen entstanden, denen allen im Prinzip eins wesenhaft gemeinsam sei, dass nämlich die jeweilige betreffende Gottheit mächtig sei.
Dies würde deutlich zeigen, dass die Religionen lediglich das Ergebnis der Furcht der Menschen vor den Naturgewalten seien, denen sie oft schutzlos ausgeliefert gewesen seien, dass der Mensch seine betreffende Angst eben in eine Religion „gekleidet“ habe. Und erst mit dem Fortschritt der Naturwissenschaften würden wir alles verstehen und erklären können und bräuchten keine Religion mehr.
Nun, zunächst sei erwähnt, dass diese Menschen bei aller ihrer übertriebenen wie naiven Wissenschaftshörigkeit, die fast auch schon einer Religion gleichkommt, einen wichtigen Umstand übersehen. Denn je mehr die Menschen mittels der Wissenschaften von den großartigen Geheimnissen der Schöpfung in Erfahrung bringen, desto mehr stellen sich ihnen neue Fragen, desto komplexer erscheint uns das gesamte Mysterium der Schöpfung! Dadurch erscheint es als umso unwahrscheinlicher, dass das alles sozusagen zufällig und nach der Art einer heute so angepriesenen sogenannten Evolution entstanden sei, ohne dass da auch ein unendlich weiser und unsere menschliche Vorstellungskraft unendlich übersteigender Verstand als Urheber der Schöpfung am Werk gewesen sei! Nicht umsonst kommen auch viele Naturwissenschaftler durch ihre Forschungsarbeit wenigstens auch zur Erkenntnis der Existenz eines Schöpfergottes, der hinter all den großartigen Geheimnissen der Schöpfung stehe.
■ Betrachtet man aber das betreffende Argument der Religionsgegner an sich, muss man zugeben, dass es auf die heidnischen Religionen sehr wohl zutreffe. Die Menschen hatten in ihrem Inneren schon das Bewusstsein der Existenz einer übernatürlichen Realität. Sicherlich standen sie auch stark unter dem Eindruck der Bedrohung durch die verschiedenartigsten Gewalten der Natur und erhoben in ihrer Sündhaftigkeit und sittlichen Schwäche die betreffende konkrete Bedrohung gewissermaßen zu einer Gottheit, welche für sie jeweils die größte Gefahr darstellte.
So stellte für Völker, die im höheren Gebirge lebten, entweder der Berg selbst eine Gottheit dar oder wurde wenigstens als ein Ort des Einwohnens dieser Gottheit verehrt, weil es ja extrem gefährlich und sogar lebensbedrohlich war, sich auf diesen Berg zu begeben. Völker, die in südlicheren Breitengraden lebten, beteten dagegen oft eine Art Sonnengott an, weil für sie eben die Hitze der Sonne eine substanzielle Gefahr darstellte. Nicht umsonst gab es in der heidnischen griechischen Religionsmythologie unter anderem auch eine Meeresgottheit, zumal man ja täglich die Erfahrung machte, wie viele Leben die Seefahrt kostete.
Nun, das Element der Allmacht Gottes ist auch für die Christliche Offenbarungsreligion nicht nur wichtig, sondern sogar wesentlich. Aber noch interessanter und bemerkenswerter ist, dass Jesus einen ganz anderen Zugang zur Allmacht Gottes sowohl selbst praktiziert als auch uns gelehrt hat. Jedes Jahr am Christkönigsfest am letzten Sonntag im Oktober vernehmen wir im Evangelium, wie wir Jesu Allmacht richtig verstehen sollen
So ist ja die Kunde, dass Jesus ebenfalls ein König sei, der König der Juden, auch zu Pontius Pilatus vorgedrungen. So fragte er dann Jesus beim ersten Verhör: „Bist Du König der Juden?“ (Joh 18,33.) In Seiner Antwort weist Jesus auf eine andere essentiell-entscheidende Komponente Seines Königtums hin, welches Er somit auf eine andere Ebene hebt und im eindeutigen Unterschied zu heidnischen Göttervorstellungen nicht in erster Linie durch Seine Allmacht begründet: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Wäre mein Reich von dieser Welt, so würden meine Diener dafür kämpfen, dass ich den Juden nicht ausgeliefert würde. Nun ist aber mein Reich nicht von hier.“ (Joh 18,36.)
Stand ja Jesus zum betreffenden Zeitpunkt völlig hilflos vor Pilatus, indem Er als Gottessohn im Lauf Seines Prozesses sogar der schlimmsten Sünde der Gotteslästerung angeklagt wurde. Und es war klar, dass Er verurteilt und dem furchtbaren Kreuzestod überliefert werden würde. Somit galt Er nach der damaligen Logik der Juden und Römer als einer, der von Gott verlassen und somit verflucht worden sei. Anscheinend ist wegen dieses wahrnehmbaren erbärmlichen Zustandes Jesu auch nicht wenig an Spott in den Worten des Pilatus enthalten, die er daraufhin sprach: „Du bist doch ein König?“ (Joh 18,37.)
Nun setzt aber Jesus diesem Element der Allmacht als der entscheidenden und über alles andere dominierenden Eigenschaft Gottes im Heidentum und auch Judentum etwas anderes entgegen. Denn auf die Frage, ob Er doch ein König sei, begründet Jesus Sein Königtum auf eine ganz andere Weise: „Ja, Ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass Ich für die Wahrheit Zeugnis gebe. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme.“ (Joh 18,37.)
Jesus tut hier etwas, was völlig unvorstellbar war für die damalige Zeit. Statt doch ebenso auch wenigstens teilweise auf die Allmacht als das Existenzprinzip Gottes zu verweisen, lenkt Er unseren Blick auf die Wahrheit als das essentielle Lebensprinzip Gottes hin! Also spielt die Wahrheit die entscheidende Rolle bei der Frage nach Gott und nicht (mehr) die Allmacht, obwohl Jesu natürlich auch nicht leugnet, dass Gott allmächtig ist und bleibt.
Das gesamte Evangelium Jesu Christi zeigt uns dann auch an, für welche Art von Wahrheit Jesus lebensmäßig Zeugnis abgelegt hat. Dafür nämlich, dass Gott absolut und heilig ist, dass Er gerecht und barmherzig ist. Weil aber die Menschen vor Ihm gesündigt und sich somit den Fluch des Widersachers Gottes zugezogen haben, ist Gott in Jesus Christus Mensch geworden und hat durch Sein stellvertretendes Leiden und Sterben „die Schuldschrift, die uns mit ihrer Anklage belastete, ausgelöscht und vernichtet, da Er sie ans Kreuz heftete.“ (Kol 2,14.) Darin besteht also die von Jesus Christus angebotene Erlösung, dass die Menschen durch Glaube, Taufe und einen entsprechenden gottwohlgefälligen Lebenswandel zu Seinen Jüngern werden und in Ihm das ewige Leben als das wahre Heil der Seele finden! Das ist der entscheidende Inhalt der Wahrheit des Evangeliums Jesu, für welchen Er dann auch Sein Leben hingegeben hat!
■ Man beachte, dass diese Berufung Jesu auf die Wahrheit als das entscheidende Element der Selbstidentifikation und Erkenntnis Gottes in der damaligen Zeit etwas völlig Neues dargestellt hatte, was es bis dahin so niemals gab. Dies stellte zum damaligen Zeitpunkt eindeutig eine klare Revolution im Denken dar, weil auf etwas zurückgegriffen worden ist, was macht- und einflussmäßig nicht im Geringsten irgendwie greifbar war.
So wird auch ersichtlich, dass in der Lehre Jesu im Unterschied zu allen anderen heidnischen Religionen keinesfalls das allzu menschliche Denken Niederschlag gefunden, sondern dass in der Christlichen Offenbarungsreligion wirklich Gott gesprochen hat und somit deren eigentliche Quelle ist! Bezeichnenderweise hat damals niemand Jesus verstanden! Auch die Apostel als die, die am häufigsten die Predigt Jesu gehört und Seine Wundertaten miterlebt hatten, haben Ihn nicht nur nicht verstanden, sondern sogar Anstoß an Ihm genommen und sind geflohen. Petrus verleugnete Jesus dann sogar dreimal.
Verstärkt denn dieser Umstand nicht noch weiter die Erkenntnis, dass der wahre Gott der Urheber des Christentums ist?
Aber Jesus ging dann noch weiter. Er hat nicht nur verbal das betreffende Zeugnis abgelegt, sondern war auch bereit, für diese Wahrheit Sein Leben hinzugeben! Und das ist unvorstellbar, besonders in der damaligen Zeit, dass der allmächtige Gott ohnmächtig wird und zum Zweck unserer Erlösung von der Sünde Sein Leben opfert! Wobei Er da auch der übelsten Sünde angeklagt wird, die es für einen gläubigen Menschen geben kann – Gotteslästerung!
Dies ist völlig unvorstellbar und reflektiert weder die Denkweise der Menschen generell noch die Vorstellung der Juden speziell, dass Gott sich in der Ohnmacht des geistigen Verstoßen-Seins und schmerzhaftesten körperlichen Leidens offenbaren würde bzw. legitimieren wollte. Er hat die Wahrheit bekannt und sie durch Sein Blut bezeugt. Einem Heiden und Juden würde eine solche Vorstellung nicht in deren kühnsten Albträumen als möglich erscheinen!
Ist das denn nicht ein beredtes Zeichen dafür, dass das Christentum durch diesen zentralen Verweis auf die Wahrheit nicht im Geringsten die Denkweise der Menschen widerspiegelt, sondern wirklich göttlichen Ursprungs ist? Denn Jesus hat ja weder der gängigen Meinung der Menschen noch den Strömungen des jeweiligen gesellschaftlichen Mainstreams willfahren. Ebenso wenig ging Er faule Kompromisse mit den Mächtigen und Einflussreichen ein - Er wehrte sich mit allem Nachdruck und Gewicht Seiner Person dagegen, den bei Menschen immer schon sehr populären und beliebten Götzen mit Namen „Opportunismus“ anzuerkennen und anzubeten!
Somit konstituierte Er Sein „Reich“, welches „nicht von dieser Welt ist“, mit dem entscheidenden Verweis auf die Wahrheit Gottes, die an sich von Menschen nicht manipuliert werden kann, und bezeugte sie mit Seinem Blut und Leben! Dieselbe geistige Einstellung und praktische Haltung stellte Er dann auch als Bedingung für Seine Jünger für den Eintritt in Sein „Reich“ auf: „Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme.“ (Joh 18,37.) Also verinnerlicht und beherzigt jeder, der Ihm nachfolgen will, eben gerade dieses Berufen Jesu auf die Wahrheit bzw. richtet sein Leben ebenfalls danach aus!
Damit wird ersichtlich, dass die katholische Kirche letztendlich nur deswegen die von Jesus Christus gestiftete Kirche ist, weil in ihr die Apostolische Glaubensüberlieferung – das Bezeugen der betreffenden Wahrheit Christi in Wort und Tat – bis in die Gegenwart treu und unverfälscht erhalten geblieben ist. Zugleich stellt das offenkundige doktrinelle, liturgische und moraltheologische Abweichen der „Konzilskirche“ von der geheiligten Glaubensüberlieferung des zweitausendjährigen Lebens der Kirche den besten Beweis dafür dar, dass sie weder die Kirche Jesu Christi ist noch eigentlich überhaupt sein möchte!
■ Dabei fängt jedes große Übel mit einem anfänglich vergleichsweise kleinen und scheinbar unbedeutenden Abweichen von der Wahrheit (des überlieferten katholischen Glaubensguts) an. Ein solcher Grundirrtum in der Konzeption bedingt in der Folge eine ganze Reihe von weiteren „Erklärungen“, womit der erste Konzeptfehler „gerechtfertigt“ werden soll. Als Ergebnis entsteht dann ein Gottes-, Welt- und Menschenbild, welches eine ganz andere Richtung einschlägt und substanziell von christlich-katholischen Dogmen und Werten abweicht!
Wie wichtig es ist, den falschen Anfängen zu wehren, kann man am Beispiel der heutigen „Konzilskirche“ sehen. Als nämlich die modernistischen „Reformen“ angefangen haben, hatten viele Menschen und vor allem auch viele Priester verstanden, dass da irgendetwas falsch laufe. Von meinem hochwürdigsten Weihevater Bischof Günther Storck hörte ich einmal von einem Priester, den er damals getroffen hatte. Dieser Priester meinte nämlich (wohl in den 1970-er Jahren) in Bezug auf die betreffenden „Neuerungen“, er hätte zwei Möglichkeiten: entweder würde er protestantisch werden oder „in der Gosse landen“. Denn wenn er die „Reformen“ annähme, würde er lehrmäßig praktisch zum Protestanten werden – das hat er ganz genau erkannt. Wenn er aber die ganzen Änderungen nicht akzeptierte und sich dagegen und somit für die überlieferte Lehre und Liturgie ausspräche, würde er sein seelsorgliches Amt innerhalb der „Konzilskirche“ samt dem betreffenden finanziellen Einkommen verlieren und somit bildlich gesprochen „in der Gosse landen“. Das sahen damals viele aus dem Klerus und Episkopat so ähnlich.
Die Priester aber, die die betreffenden Irrlehren nicht nur wirklich erkannt, sondern sie dann im Vertrauen auf die göttliche Vorsehung vor allem auch unmissverständlich abgelehnt und dann auch die ihnen anvertrauten Gläubigen darauf angesprochen bzw. davor gewarnt haben, konnten hier und da kleine Zellen des katholischen Widerstandes gegen die betreffende modernistische Revolution entstehen lassen. Insofern sie dann in der Folge auch keine falschen Kompromisse mit der modernistischen Lüge und „Kirche“ eingegangen sind und somit ein klares Zeugnis für die katholische Wahrheit und Kirche abgelegt haben, konnten sie auch die Menschen, die ehrlichen Herzens Gott und die Wahrheit suchen, entsprechend aufklären und ihnen den rechten katholischen Weg in einer konfusen Zeit weisen.
Gott sei es gedankt, dass auch wir im Lauf unseres Lebens Menschen und Priester hatten, die uns die unverfälschte Wahrheit gelehrt und dann vor allem auch durch ihr eigenes Lebenszeugnis als wichtiges Vorbild guter katholischer Priester, Eltern und Freunde dienten, wobei sie da eventuell auch auf die betreffenden „Pfründe“ der finanziellen Versorgung durch die „Konzilskirche“ verzichtet hatten. Ohne diese wären wir womöglich auch der modernistischen Lüge zum Opfer gefallen.
Denn zur selben Zeit gab und gibt es ja auch viele Menschen, ob Priester, Bischöfe oder Laien, die zwar ebenfalls den hinreichenden Durchblick bezüglich der geistigen Verderbtheit der „Reformen“ hatten, dann aber dennoch nicht ihre Stimme dagegen erhoben und sie, wenn auch zähneknirschend, letzten Endes doch angenommen haben. Schlussendlich haben diese Menschen weder selbst ein entsprechendes und von Jesus gefordertes Zeugnis für die Wahrheit abgelegt noch dadurch andere auf die betreffende Wahrheit Christi hingewiesen!
Hier geht es, wie gesagt, in erster Linie nicht um die Menschen, die es nicht besser wussten, weil sie etwa seit ihrer Kindheit im Modernismus aufgewachsen sind. Diese haben oft leider nie etwas anderes gehört. Nein, hier sind vor allem die angesprochen, die sehr wohl den wahren Glauben gekannt und vielleicht sogar auch selbst jahrzehntelang praktiziert haben, dann aber dennoch weitestgehend geschwiegen haben, als sie den sogenannten kirchlichen Zeitgeist annehmen sollten. Diese Gruppe von ursprünglich katholischen Klerikern und Laien trägt ein viel höheres Maß an Verantwortung vor Gott und der Kirche, weil sie eben still blieben, wo sie eben laut hätten warnen müssen, und somit ebenso zum betreffenden vielschichtigen Desaster beigetragen haben, in welchem sich der offizielle „Katholizismus“ heute befindet.
Letztendlich stellt dieser Opportunismus, die Anpassungsbereitschaft an etwas, was man eigentlich selbst nicht richtig und sogar verderblich findet, eine viel größere Gefahr für die Kirche und Gesellschaft dar als z.B. ein äußerer Angriff auf die Kirche und ihre Lehre seitens ihrer erklärten Gegner und Feinde. Geschah es denn nicht oft genug im Laufe der Kirchengeschichte, dass äußere gewalterfüllte Verfolgungen der Kirche zwar viele schwächere Mitglieder von ihr bedauernswerterweise getrennt, aber dennoch zur inneren Geschlossenheit des gesunden Kerns der Gläubigen beigetragen haben. Dann glänzte die Kirche umso mehr im Licht der sie stärkenden Gnade Gottes!
Immer dann aber, wenn die Feinde der Kirche zur Methode der inneren geistigen Unterwanderung übergingen und die Gläubigen durch die listige Ausnutzung ihrer sittlichen Schwächen und falschen Neigungen zu Lob, Einfluss, Wohlstand und Sich-Wichtig-Fühlen zum Eingehen von falschen Kompromissen mit der Lüge und Sünde veranlassten, wurde in der betreffenden Gemeinschaft in der Summe viel schneller und nachhaltiger die innere Substanz des Glaubens aufgebraucht bzw. diesen Menschen der gesunde Glaube aus den Herzen gerissen. Denn die durch das listige In-Frage-Stellen von zentralen Glaubensfragen entstehende Verwirrung unter den breiten Schichten der Gläubigen wirkt sich viel gefährlicher für die Kirche aus, zumal wenn dann besonders auch die Priesterschaft, der Episkopat und die formalen Römischen Oberhirten bei diesem Prozess des letztendlich diabolischen „Wühlens“ mitmachen bzw. diesen sogar auch aktiv leiten!
Die betreffenden Wissenden um die Glaubensinhalte und deren Bedeutung für das Seelenheil der Menschen trifft dann fast die größte Schuld, wenn sie nicht aufstehen und entsprechend Weiß und Schwarz beim Namen nennen.
Natürlich sind wir nicht verpflichtet, sozusagen jedem auf der Straße zu sagen, was wir zu diesem und jenem meinen. Je nach der Situation ist man auch berechtigt, nicht die Wahrheit im vollen Umfang mitzuteilen – in Entsprechung zum momentanen geistigen Fassungsvermögen des Zuhörers. Ebenso darf man sich ausweichender oder doppeldeutiger Antworten bedienen, sollte man beim Fragenden oder Verfolger den ehrlichen Willen zur Wahrheit vermissen. In Verfolgungszeiten der Kirche war es klar, dass man sich auch verstecken konnte, um nicht leichtfertig dem Martyrium anheimzufallen.
Wenn es aber so weit kommt, dass es um alles geht und unsere Antwort nur in einem Ja oder Nein bestehen kann, dann darf man die Wahrheit weder relativieren noch verleugnen! Denn nur durch ein solches freimütiges Bekennen der Wahrheit Christi kann man zu den Jüngern Jesu gerechnet werden.
So hat ja auch Jesus die Menschen Schritt für Schritt geführt und vorbereitet auf dem Weg zur Offenbarung Seiner Gottheit und Erlösungstat! Keinesfalls „erschlug“ Er sie sozusagen vom ersten Tag an mit der gesamten Wucht Seiner Wahrheit. Im entscheidenden Zeitpunkt aber, als Er von Pontius Pilatus direkt und unmissverständlich nach Seiner Person und Mission gefragt wurde, gab es von Ihm auch eine klare und unmissverständliche Antwort!
■ Besinnen wir uns also auf unsere Verantwortung für das, was uns gnadenhaft an Erkenntnissen der göttlichen Wahrheiten des Christentums geschenkt worden ist. Uns, die wir diesen kostbaren Schatz des wahren Glaubens und der Apostolischen Liturgie erleben dürfen, erwächst daraus auch die heilige Verpflichtung, ihn dann auch entsprechend zu bekennen – jedem auf die ihm durch die Lebensumstände gebotene Weise! Von uns kann es also auch abhängen, ob wir durch unser hoffentlich freimütiges Glaubensbekenntnis anderen Menschen einen wertvollen Denkanstoß geben, ihnen den Weg in die richtige Richtung weisen und somit für sie über allem auch unsere tiefe Ehrfurcht vor Jesus Christus als dem Göttlichen Erlöser aufleuchten lassen! „Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme.“ (Joh 18,37)
„Aber es kommt die Stunde, und jetzt ist sie da, in der die wahren Anbeter den Vater anbeten in Geist und Wahrheit; denn solche Anbeter will der Vater haben. Gott ist Geist, und die Ihn anbeten, müssen anbeten in Geist und Wahrheit.“ (Joh 4,23f.) Somit lässt sich Gott nur durch das aufrichtige Suchen der Wahrheit finden und sonst nirgendwo – weder in irdischer Macht noch im weltlichen Reichtum noch im opportunistischen Zeitgeist! Die von Jesus Christus offenbarte Wahrheit vom Wesen und Heilswillen Gottes ist der Inbegriff dessen, was der Mensch suchen soll und für ihn den wahren Reichtum darstellt: „Wenn ihr in meiner Lehre verharrt, seid ihr wahrhaft meine Jünger. Dann werdet ihr die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.“ (Joh 8,31f.)
Nicht wenige Menschen haben im Lauf der Geschichte dieselbe skeptische Frage gestellt wie Pontius Pilatus im Anschluss an das betreffende Bekenntnis Jesu in Bezug auf Sein Königreich: „Was ist Wahrheit?“ (Joh 18,38.) Heute scheinen besonders viele dieselbe Haltung zu besitzen. Oft genug mündet dann diese Gleichgültigkeit in Bezug auf die Wahrheitsfrage in einen fatalen Nihilismus bzw. in einen primitiven Hedonismus und Konsumismus. Weil ja angeblich nichts gelte oder als richtig erkannt werde könne, müsse man halt so viel wie nur möglich Lust aus diesem Leben herausholen.
Eine Ursache für die Oberflächlichkeit dieser bedauernswerten Menschen könnte auch der Mangel an persönlicher Erfahrung von wahrer Güte, Gerechtigkeit und Liebe sein! Weil sie anscheinend nicht hinreichend mit der überirdischen Realität in Berührung gekommen sind, fokussieren sie sich eben auf das Diesseits und versuchen verzweifelnd (wenn auch oft unbewusst) und letztendlich vergebens, da den tieferen Sinn des Lebens zu finden.
Umso wichtiger ist unser konkretes Bekenntnis zur Wahrheit Christi (durch Wort und Tat!), durch welches jeder, der noch irgendwie sucht, einen wertvollen Hinweis auf Den finden könnte, der ewig und absolut ist, der in unbegreiflicher göttlicher Liebe um unseres Heiles willen Mensch geworden ist und unsere Sündenschuld am Kreuz stellvertretend für uns getragen hat, der von den Toten auferstanden ist und uns das wahre und ewige Leben bzw. die himmlische Heimat in Aussicht gestellt hat, wenn wir nämlich entsprechend zu Seinen Jüngern werden und Ihn dann in Liebe bezeugen! „Ja, Ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass Ich für die Wahrheit Zeugnis gebe. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme.“ (Joh 18,37.)

P. Eugen Rissling

 

Zurück Hoch Startseite